„Nicht schon wieder eine Strumpfhose“. Der ältere Herr, der mich zur Podcast-Aufnahme in sein weihnachtlich geschmücktes, gemütliches Haus am Rande von Pinkafeld eingeladen hat, spricht diesen Satz mit verstellter Stimme ins Mikrofon. Eigentlich hatte ihn ursprünglich ein kleines Mädchen ausgerufen, als sie von meinem Gesprächspartner einst ein Päckchen erhielt, über dessen Inhalt sie sich wohl mehr Hoffnungen gemacht hatte. Denn immerhin, das Päckchen hatte ihr der Nikolaus überreicht. Und dann: nur ein Strumpfhose. Adolf Mathä, der vor 85 Jahren im oststeirischen Friedberg das Licht der Welt erblickte, war und ist dieser ganz besondere Nikolaus. Einer, der diese Rolle, wie er klar unterscheidet, verkörpert und nicht bloß darstellt oder nur spielt. Es ist also keine Rolle, Adolf Mathä IST der Nikolaus von Pinkafeld.
Nikolaus von Myra, dem heutigen Demre in der Türkei, ein Ort nur 100 Kilometer neben der Heimat beliebter Ferienclubs in Antalya, kam als Kind wohlhabender Eltern zur Welt. Im Unterschied zum kleinen Adolf, der 1938 in Friedberg am Fuße des Wechsel als eines von neun Kindern in die Familie Mathä geboren wurde. In der Erinnerung an die Kinderzeit des 85jährigen Adolf Mathä fehlte es den Geschwistern an nichts, er macht aber auch kein Hehl daraus, dass Kinder heute sicher in besseren Zeiten leben. Weil Adolf Mathä davon aber eben nicht restlos überzeugt ist, verkörpert er gemeinsam mit rund zehn weiteren Nikoläusen seit genau 50 Jahren den Mann im roten Mantel, mit Stock, Mütze und goldenen Schuhen – unter dem Namen „Nikolaus-Aktion Pinkafeld“. Und zwar ausschließlich bei Hausbesuchen.
„Man muss Gutes tun, als Mensch und als Nikolaus“
Was ihn am historischen Vorbild so fasziniert? Nikolaus von Myrna hat – historisch belegt – sein üppiges Erbe unter Bedürftigen aufgeteilt. Obwohl Adolf Mathä und seine Nikolaus-Kollegen ehrenamtlich und kostenlos zu den Familien kommen, erhalten sie natürlich von den Eltern Geldspenden. Diese werden dann, ganz getreu des Heiligen Nikolaus von Myra, in Form von beispielsweise Einkaufsgutscheinen an bedürftige Familien weitergegeben.
Darf der Nikolaus denn noch sein?
Der Krampus und der Nikolaus. Daran scheiden sich heute die Geister, ob das überhaupt noch sein darf. Brauchtum sei doch kein Erziehungsmittel, sagen die Psycholog:innen. Adolf Mathä, seit 50 Jahren Nikolaus aus Überzeugung, sieht das etwas differenzierter. Den Krampus, den schaurigen Gesellen, den es übrigens nur bei uns in Österreich und einigen anderen ostalpinen Ländern gibt, sonst kennt ihn niemand, den lehnt er ab, der hat bei den Besuchen seine Nikoläuse nichts zu suchen. Wie wohl Adolf Mathä, gut gebrieft von den Eltern, mit den Kindern in freundlicher, sanfter Weise über das Bravsein und Folgen spricht. Nach vielen Jahrzehnten als Lehrer an der Höheren Technischen Lehranstalt in Pinkafeld und drei mit seiner 2018 verstorbenen Gattin Herta großgezogenen Kindern, hat er sich einen stets herzlichen, nicht allzu belehrenden Umgang als Nikolaus angewöhnt. Und wenn man Adolf Mathä zuhört, wenn er über 50 Jahre als weithin beliebter Nikolaus erzählt, glaubt man das auch ohne jeden Zweifel. Selbst wenn vermutlich dieselben Kinder, denen man den Krampus etwa aus Sicht der Psychologie ersparen möchte, sich begeistert beim örtlichen Perchtenlauf fast in die Hosen machen oder auf ihrer PlayStation erstaunliches Geschick im Egoshooter-Game beweisen, Mathä und seine Nikoläuse machen es aus Überzeugung auf die sanfte Tour.
50 Jahre Nikolaus – festlich begangen
Zum 50jährigen Jubiläum der Nikolaus-Aktion Pinkafeld wird Adolf Mathä von Kindern, Eltern und Nikolaus-Kolleg:innen gebührend gefeiert. Es gibt Interviews mit ihm und für ihn sogar eine Ehrenurkunde der Diözese in Eisenstadt. Nur der örtliche Pfarrer kann sich nicht so recht in den Chor der Dankbaren einbringen, er werde gerne selber gelobt, habe aber für den ehrenamtlichen Nikolaus kein Lob zur Hand. Das enttäuscht zwar Adolf Mathä und seine Fans ein wenig, aber wer den Heiligen vom 6. Dezember so verkörpern kann, dass man ihn sogar bis in Wiener Wohnungen eingeladen hat, der macht weiter wie bisher und weiß, das damit schon alles seine Richtigkeit hat. Ein bisschen Brauchtum und ein wenig Aufregung, die er dann gekonnt mit seinen Auftritten in kindliche Freude konvertiert, können die Kinder dieser Welt für eine gute Entwicklung durchaus gebrauchen.